Degewo-Mieterin: „Es sieht so aus, als ob die Wahrheit scheibchenweise rauskommt“

Oktober 5, 2023

Bildquelle: UGK Berlin

In einem von der Degewo, die selbst als Bauherrin agierte, errichteten Wohnkomplex in Wilmersdorf wurde neuerdings wieder Asbest gefunden. Doch die Enthüllungen über das gefährliche Material kommen nur nach und nach ans Licht. Das Verhalten der Degewo löst nicht nur Empörung aus, sondern wirft auch die Frage auf, wie verantwortungsbewusst das Unternehmen gegenüber seinen Mietern agiert.

Carola S. steht in ihrer Wohnung in der Schlangenbader Straße (Autobahnüberbauung "Schlange") und erzählt: "Im Jahr 2015 bin ich in diese Wohnung eingezogen und habe sie in einem renovierten Zustand übernommen. Lediglich der Laminatboden musste noch verlegt werden." Sie fährt fort: "Beim Einzug hat mich niemand darüber informiert, dass meine Wohnung möglicherweise asbestbelastet ist."

Doch die Degewo, als Bauherrin des Komplexes, wusste ganz genau, was sie verbaut hatte. Es ist empörend, dass sie es versäumt hat, die Mieter vor dieser schwerwiegenden Gesundheitsgefahr zu warnen.

Erst im November 2016, ein Jahr nach ihrem Einzug, erhielt Carola S. einen Brief von Degewo, in dem sie über die Asbestproblematik informiert wurde. In dem Schreiben wurde behauptet, dass sie bereits im Jahr 2013 über den Umgang mit asbesthaltigen Materialien in der Wohnung unterrichtet worden sei. Carola S. erklärt: "Jedoch habe ich 2013 noch gar nicht in der Schlangenbader Straße gewohnt, daher kannte ich die Information nicht, auf die sich Degewo berief."

Der Brief von 2016 enthielt allgemeine Informationen darüber, dass in den 1960er- und 1970er-Jahren asbesthaltige Baustoffe häufig in Berlin und im gesamten Bundesgebiet verwendet wurden. Die Mieter wurden davor gewarnt, eigenständige Arbeiten wie Bohren und Schrauben an Fußbodenplatten in der Wohnung sowie an der Fassade und den Seitenwänden der Terrasse zu vermeiden.

Im Jahr 2019 erhielt Carola S. eine Broschüre von Degewo, in der erneut auf asbesthaltige Bodenbeläge und Asbest im Außenbereich hingewiesen wurde. Diese Broschüre riet dringend davon ab, in solchen Baustoffen zu bohren.

Kürzlich erhielten die Mieter einen weiteren Brief von Degewo, in dem über neue Asbestfunde an Decken und Wänden berichtet wurde. Carola S. berichtet: "Solange diese asbesthaltigen Wandputze unbeschädigt sind, besteht laut Degewo keine Gefahr. Dennoch wird uns Mietern geraten, keine Löcher in die Innenwände zu bohren und keine Tapeten mehr zu entfernen, um die Freisetzung von Staub zu verhindern. Das bereitet mir große Sorgen, da ich während der Einrichtung meiner Wohnung zahlreiche Löcher in die Decke gebohrt habe, um Lampen anzubringen, und in mehreren Zimmern Schienen an der Decke installiert habe, um Bilder aufzuhängen. Ich weiß nicht, wie viel Asbeststaub ich möglicherweise eingeatmet habe."

„Nun sollen solche Arbeiten jedenfalls nur noch unter Schutzmaßnahmen gemacht werden, hat uns die Degewo mitgeteilt“, erzählt die Mieterin.

„Es sieht so aus, als ob die Wahrheit scheibchenweise rauskommt“, sagt Carola S. „Das macht mich misstrauisch. Denn ich weiß ja nicht, was als Nächstes kommt.“ Es sei „auch nicht vertrauenerweckend“, dass im Hausflur auf ihrer Etage die Wand aufgestemmt wurde, um ein Wasserrohr zu reparieren, „ohne dass dabei besondere Schutzmaßnahmen ergriffen wurden“, so die Mieterin. „Der Baustaub lag tagelang auf dem Flur. Wir Mieter haben ihn von dort in unsere Wohnungen getragen“, sagt Carola S.

Die Degewo in Berlin hat angekündigt, die Kosten für die Renovierung und das Entfernen von asbesthaltigen Materialien zu übernehmen. Ein Unternehmenssprecher erklärte: "Wir informieren unsere Mieter umfassend über alle bekannten Schadstoffe in ihren Wohnungen und halten sie über neue Erkenntnisse auf dem Laufenden."

Die Degewo plant ab Mitte 2025 eine Großsanierung des Komplexes in der Schlangenbader Straße, bei der auch die Schadstoffsanierung im Mittelpunkt stehen wird. Ein Schadstoffgutachten wurde bereits erstellt und wird laufend aktualisiert.

Trotz dieser Maßnahmen gibt es Kritik von Mieterseite. Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) fordert eine planmäßige Erfassung aller belasteten Wohnungen in der Schlangenbader Straße sowie eine zügige Sanierung der betroffenen Wohnungen. Außerdem fordert der AMV ein Asbestregister für Berlin und die Entwicklung einer umfassenden Sanierungsstrategie.

Quelle

  1. Bezüglich des Vorgang gibt es einen Antrag "Asbest in der Schlagenbader Straße - Mieter:innen schützen" (Drucksache - 0596/6) der Fraktion DIE Linke im BVV Charlottenburg-Wilmersdorf ( https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/politik/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=8690 ).

    Die Linksfraktion hat das Bezirksamt aufgefordert, zu prüfen, wie gefährlich die Belastung ist. Baustadtrat Christoph Brzezinski (CDU) sagte anschließend im Stadtentwicklungsausschuss, die Bauaufsicht habe damit bereits begonnen. Angesichts der hohen Zahl betroffener Haushalte werde dies „einige Zeit in Anspruch nehmen“. Der Antrag der Linken ist damit nicht ganz gegenstandslos, denn die Fraktion verlangt auch die Klärung der Frage, ob die Degewo ihren Pflichten in den vergangenen zehn Jahren nicht nachgekommen sei.

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